Neuregelung der Vollverzinsung

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 08.07.2021 entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen verfassungswidrig ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird. Hintergrund hierfür ist, dass seit Jahren niedrige Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt, welches im Widerspruch zur 6-prozentigen Jahresverzinsung durch die Finanzverwaltung steht.

Die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach § 233a AO mit dem Grundgesetz umfasst ebenso die Erstattungszinsen zu Gunsten der Steuerpflichtigen.

Das Bundesverfassungsgericht verpflichtete vor diesem Hintergrund den Gesetzgeber, eine verfassungsgemäße Neuregelung für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, zu treffen. Das Bundeskabinett hat diese Verpflichtung nun aufgegriffen und am 01.03.2022 einen Regierungsentwurf beschlossen:

  • Der Zinssatz für Zinsen nach § 233a AO soll nach Entwurf ab dem 01.01.2019 rückwirkend auf 0,15 % pro Monat (1,8 % pro Jahr) gesenkt werden. Die Neuregelung soll für alle Steuern gelten, auf die die Vollverzinsung anzuwenden ist.
  • Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen, für die die Zinsen jeweils tageweise zu berechnen sind.
  • Die Angemessenheit des Zinssatzes ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume zu evaluieren, erstmals zum 01.01.2026. Eine Änderung des Zinssatzes soll nach der Regierungsbegründung möglichst erst dann erfolgen, wenn der zum 1. Januar des Jahres der Evaluation geltende Basiszinssatz um mehr als einen Prozentpunkt von dem bei der letzten Festlegung oder Anpassung des Zinssatzes geltenden Basiszinssatz abweicht.

Das Gesetz muss nun noch vom Bundestag verabschiedet werden (voraussichtlich 24.06.2022) und benötigt noch die Zustimmung des Bundesrats (geplant 08.07.2022).

Die Frage, ob auch für andere Zinsen nach der AO und den Einzelsteuergesetzen eine Neuregelung des Zinssatzes erfolgen muss, wird das Gesetz nicht beantworten. Damit stellt sich weiterhin die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Verzinsung auf ausgesetzte oder gestundete Steueransprüche.