Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Steuerhinterziehung

Mit Schreiben vom 15.06.2022 hat das Bundesfinanzministerium (nachfolgend BMF) den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) ergänzt. Eingefügt wurden Regelungen zur Versagung des Vorsteuerabzugs und von Steuerbefreiungen bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung. Des Weiteren hat das BMF Fälle aufgelistet, die Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung geben.

Gemäß Abschnitt 25f.1 Abs. 1 UStAE obliegt die grundsätzliche Feststellungslast (d.h. im Ergebnis die Beweislast) für das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 und 4 UStG bzw. einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG dem Unternehmer. 

Weist das Finanzamt dem Steuerpflichtigen nach, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht vorgelegen haben und dem Steuerpflichtigen dies bekannt war bzw. hätte bekannt sein müssen, dass eine Umsatzsteuerhinterziehung und/oder eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 26a bis c UStG vorgelegen haben, ist der Vorsteuerabzug zu verweigern. Das Finanzamt muss in diesem Fall nachweisen, dass der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Eingangs- oder Ausgangsumsatz an einem Umsatz beteiligt, der auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe in eine Steuerhinterziehung einbezogen ist. Dem Unternehmer ist die Kenntnis seiner Angestellten gem. § 166 BGB analog zuzurechnen.

§ 25f UStG ist einschlägig, wenn der objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO bzw. der §§ 26a oder 26c UStG auf mindestens einer Umsatzstufe innerhalb der Leistungskette erfüllt sind (Abschnitt 25f.1 Abs. 3 UStAE n.F.). Das Finanzamt ist nicht an eine Entscheidung im straf- oder bußgeldrechtlichen Verfahren gebunden; es kann vielmehr eigenständig entscheiden.

Das Recht auf Vorsteuerabzug besteht indes – grundsätzlich – unangetastet, wenn der Unternehmer sicherstellt, dass eine Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung und/oder Schädigung des Umsatzsteueraufkommens nicht erfolgen kann. Der Grad der erforderlichen Sorgfalt des Steuerpflichtigen wird damit erweitert. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. So kann ein Unternehmer beispielsweise verpflichtet sein, über einen Anderen – von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt – Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Jedoch darf die Steuerverwaltung von dem Steuerpflichtigen nicht die Durchführung komplexer und umfassender Überprüfungen seines Lieferanten verlangen und ihm faktisch die ihr obliegende Kontrolle übertragen. Kommt der Unternehmer seinen Auskunfts- und Dokumentationspflichten nach, kann er grundsätzlich auf die zutreffende steuerrechtliche Behandlung dieser Umsätze – und das Recht zum Vorsteuerabzug – vertrauen. Liegen jedoch Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung (vgl. beispielhaft Abschnitt 25f.1 Abs. 5 UStAE) vor, muss der Unternehmer weitergehende Maßnahmen treffen. Erfüllt der Unternehmer diese Pflichten nicht, ist von einem Wissen oder Wissenmüssen des Unternehmers auszugehen und der Unternehmer verliert sein Recht auf Vorsteuerabzug bzw. Steuerbefreiung. 

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Anforderungen eher vage definiert sind. Verbindliche Handlungsanweisungen bestehen derzeit nicht. Allerdings dürften die Verfahrensdokumentation sowie Tax Compliance Systeme zunehmend an Bedeutung gewinnen. Sie bieten weitgehende Exkulpationsmöglichkeiten. Ihre Bedeutung hat das Finanzamt bereits im Anwendungserlass zum § 153 AO zum Ausdruck gebracht.

Link zum Dokument: Bundesfinanzministerium – Umsatzsteuer; Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung (§ 25f UStG)