Schätzung von Besteuerungsgrundlagen im Steuerstrafverfahren

In den letzten Jahren hat die Thematik um die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen im Steuerstrafverfahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die gilt vor allem für bargeldintensive Geschäfte bzw. Unternehmen.

Im Rahmen vom Veranlagungsverfahren bzw. Betriebsprüfungen sind (Hinzu-)Schätzungen gemäß § 162 AO zulässig. Nach Verwerfung der Buchhaltung wegen Mängeln ist dies auf Basis einer Ausbeutekalkulation – beispielsweise unter der Anwendung von Rohgewinnaufschlagsätzen bzw. der Richtsatzsammlung etc. – möglich. Dies erfolgt regelmäßig und ist rein steuerlich zulässig.

Diese – rein steuerliche – (Hinzu-)Schätzung als solche ist für sich genommen kein Nachweis für eine tatsächliche (strafrechtlich relevante) Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO ist. Denn das Besteuerungsverfahren und das Strafverfahren sind getrennt zu betrachtende Verfahren, die unterschiedlichen Voraussetzungen folgen. So gilt im Strafverfahren die Unschuldsvermutung. Neben der rein strafrechtlichen Sanktionierung wegen Steuerhinterziehung kann es im Einzelfall zu weiteren Sanktionen wie Entzug der Gewerbeerlaubnis oder der Gaststättenerlaubnis und/oder dem Entzug des Jagdscheins kommen. Denkbar sind auch berufsrechtliche Folgen. Hier ist also Vorsicht geboten.

Zulässigkeit der Schätzung im Strafverfahren 

Eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen im Steuerstrafverfahren kommt nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Hinterziehungstatbestand erfüllt hat und lediglich das Ausmaß der hinterzogenen Steuern ungewiss ist (ständige Rechtsprechung des BGH, zuletzt Urt. v. 14.10.2020 – 1 StR 213/19, juris Rn. 26; Beschl. v. 28.10.2020 – 1 StR 158/20, juris Rn. 19).

Gegenstand der Schätzung können Besteuerungsgrundlagen sein, nicht aber der Schätzung zugrunde liegende Sachverhalte oder die Steuer als solche sein. In der Praxis wird dies oftmals verkannt. Eine steuerliche Schätzung im Strafverfahren kommt demnach nur in Betracht, wenn bereits feststeht, dass eine Straftat vorliegt, mithin Steuerhinterziehung verwirklicht wurde. Eine Steuerhinterziehung kann gerade nicht durch die steuerliche Hinzuschätzung als solche belegt werden.

Aus der Praxis ist festzuhalten, dass es sich empfiehlt, möglichst zeitnah einen Steuerstrafrechtler hinzuzuziehen, denn andernfalls können die Weichen für das Strafverfahren falsch gestellt sein.